„Ich hänge im Triolengitter. Mein Leben mit Karlheinz Stockhausen“ von Mary Bauermeister, eine Liebesgeschichte und ein Dokument der Kunstgeschichte!
Über Marys Bauermeister`s Buch „Ich hänge im Triolengitter“ zu schreiben, ist ein bisschen so als wolle man die Geschichte der Kunst auf eine Seite packen. Auch wenn ich mich für Kunst und Kultur, insbesondere in meinem Lebensraum Köln interessiere und schreibe, Mary`s (ich glaube so darf ich sie nennen) autobiografischer Roman beginnt zu einem Zeitpunkt als ich gerade erst auf der Welt war oder auf den Weg zwischen der Möglichkeit und dem Sein.
Er erzählt von ihrem Leben mit und in der Kunst und sie trifft und arbeitet dabei mit dem who is who (wie Rauschenberg, Chagall, Miro, Max Ernst, Rene Margritte..) der Kunstszene dieser Welt, in den 60er Jahren. Die meisten von ihnen werden mit ihren Werken unsterblich bleiben. Marys Roman ist deshalb mehr als ein autobiografischer Roman, er ist ein Dokument der Zeitgeschichte.
Während ich das hier aufschreibe habe ich ein drittel des Buches gelesen und einer Lesung mit Mary beigewohnt, die, diese auf einem Lesefest barfuß vortrug.
Sie beschreibt (ihr) „Mein Leben mit Stockhausen“ und ich vermute mal, als sie sich nach 10-11 Jahren von ihm getrennt hat, es keinen anderen Grund gab, als das sie endlich anfangen wollte ihr eigenes Leben zu leben, an einem hat es sicher dabei nicht gemangelt, an Liebe zu Stockhausen.
Ich höre gerade ein paar Stücke von Cage und Stockhausen und versuche mich sozusagen multimedial einzufinden. Denn in ihrem Leben gehörte die Musik zur Kunst und die Kunst zur Musik, es fanden Ausstellungen statt, in der alle Sinne angesprochen werden sollten.
„Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider –Was war das? vielleicht dein Lebensglück…“ K.Tucholsky
Die Liebe ihres Lebens ereilt sie aus heiteren Himmel
Das erste Zusammentreffen der beiden ist flüchtig, sie begegnen sich in Köln auf der Hohe Straße blicken sich zwei mal in die Augen, treffen sich wieder und zunächst gedeiht die Liebe im Verborgenen, ist rein platonisch, denn Stockhausen ist verheiratet. Gemeinsam trifft man sich und arbeitet an Projekten.
In Marys Geschichte erwachen viele Künstler zum Leben, von denen ich schon gehört habe oder deren Werke u.a, im Museum Ludwig hängen/hingen hängen und viele von denen ich noch nichts gehört habe. Mary Bauermeister ist selbst eine bekannte Künstlerin, ihre Werke hängen unter anderen im Museum auf Modern Art in New York.
Irgendwann wird die Liebe unumgänglich und mit Billigung von dessen Ehefrau Doris,beginnen sie eine ménage à trois , doch diese Begrifflichkeit, wird wenn man die Geschichte liest, Stockhausen`s Liebesleben nicht gerecht, denn Stockhausen liegen die Damen zu Füßen und liebt in wechselnder Besetzung.
Freie Kunst = freie Liebe? Bei den Frauen scheint dies mehr ein Zugeständnis an den „charismatischen Meister“ zu sein, denn Doris wollte ihren Mann nicht verlieren und Mary ist einen Kompromiss eingegangen, weil Stockhausen seine Familie nicht verlassen wollte. Sie lieben sich nicht wirklich zu dritt. Sie würfeln gelegentlich darum, wer mit ihm die Nacht verbringt und immer wieder steht da der Zweifel bis hin zu Todessehnsüchten Raum, aus dieser Situation zu entkommen.
Doris, die mit Stockhausen vier Kinder haben wird, ringt ihr das Versprechen ab, in den ersten fünf Jahren keine Kinder mit Stockhausen zu haben und Mary wird sich daran halten.
Später wird sie befinden.“Ob unsere ménage à trois, die wir im engeren Sinn nun zwei Jahre gelebt hatten,eine glückliche Erfahrung gewesen war?Ich komme eher zu dem Schluss, es war ein mehr oder weniger gelungene, würdevolle gemeinsame Zeit des Leidens.“
Mary bleibt in der Liebe monogam, dabei sind sie und Stockhausen oft monatelang getrennt, arbeiten in verschiedenen Kontinenten an ihren Projekten.Sie schreiben sich täglich Briefe und lassen einander am Leben und Schaffen des anderen teil haben.
Mary bemerkt in der Beschreibung dieser Zeit, das sie oft auch von der Situation profitiert, z.B.als sie mit Stockhausen durch die Welt reist, in Japan erfährt sie durch Stockhausen`s Gefährtin Aiko viel über das Land, die Kultur, Tradition und die Spiritualität Japans , wäre sie abgereist, wäre ihr dies verschlossen geblieben.
Sie nutzt die Reisen und sammelt Materialien für ihre Kunstprojekte, wie Kästen, Linsen, Kamel-Köttel und z.B. Beispiel in Sizilien sammelt sie alte, kunstvoll geflickte Betttücher und kauft sie und verschifft sie vom Erlös und Verkauf ihrer Kunst.
Besonders erheiternd fand ich das Kapitel, als Mary „Originale“ von Stockhausen, mit dessen Zustimmung, u.a.mit Nam June Paik, während des Avantgarde- Festivals in der New Yorker Judson Hall, gegenüber der Carnegie Hall aufführen will. Am Abend der Premiere protestieren einige Fluxus Künstler gegen eine Stockhausenisierung. Sie wehrten sich gegen den Kulturkapitalismus und sehen in Stockhausen, einen ihrer Vertreter.
Ihre Versuche, weitere Aufführungen zu boykottieren, indem sie z.B. Stinkbomben werfen, Darsteller abwerben oder ein Tier entführen, wird durch das kreative Ensemble so gut aufgefangen, das sich die Presse überschlägt und glaubt diese improvisierten Einlagen seien ein Teil der Aufführungen.
So, mehr möchte ich nicht verraten. Dieses Buch ist nicht nur ein Liebesbekenntnis zu einer unsterblichen Liebe, die über die partnerschaftliche Liebe hinausgeht, sondern erzählt auch viel über die Entstehung von Musik und Kunst, die Auseinandersetzung und deren Verschmelzung mit anderen Kunstformen. Oft bildet sie mit der Natur und der daraus erwachsenden Spiritualität eine Einheit.
Mary hat neben ihren eigenen Schaffen, Stockhausen inspiriert und bei seiner Arbeit unterstützt. Sie liebt seine Musik.
Sie wird ihn später nicht verlassen, weil sie ihn nicht mehr liebt, sondern weil er mit ihr kein drittes Kind haben will. Er will mit Mary reisen und frei sein, er will mit ihr mit, und für die Kunst/Musik leben.
Mary Bauermeister ist Jahrgang 1934 und eine bewundernswerte Frau, sie ist sich selbst immer treu geblieben, „Ich hänge im Triolengitter, Mein Leben mit Karl Heinz Stockhausen“, ist im Bertelsmann Verlag erschienen und kostet 21.99€
Da ich gerade dieses Buch lese, kann ich nicht anders, als Sie auf einen lustigen Tipp(?)-Fehler hinzuweisen: Der Titel muss natürlich richtigerweise „Ich hänge im TRIOLENGITTER“ heissen. Gemeint sind sicher die Musiknoten namens Triolen – und mit Tirol hat das Ganze nichts zu tun.
Da bin ich ja beruhigt, dass sie das mit Humor nehmen, Danke;-)!
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