Bal oder die Entdeckung der Langsamkeit, jetzt im Kino.
Es gibt Bilder die prägen sich ein, die vergisst man nicht, sie sind so gewaltig und ausdrucksstark, da bedarf es keiner weiteren Erklärung.
Diese Sprache beherrscht Semih Kaplanoglu meisterhaft, er kehrt die Dramaturgie gerne um, setzt den Anfang einer Geschichte ans Ende, oder das Ende an den Anfang wie in Bal.
Bal ist also der dritte Teil der Yusuf Trilogie, die Kindheit und eigentlich der Anfang. Der erste Teil Yumatra /Ei erzählt die Geschichte aus Sicht eines gereiften Mannes. Der zweite Teil der Geschichte Süd/Milch, erzählt von der Loslösungsphase des jungen Mannes Yusuf, von seiner Mutter.
In seiner Heimat , der anatolischen Bergwelt, ist die Zeit stehen geblieben. Die Landschaft verschlingt Menschen und manchmal zollt sie ihren Tribut und gibt sie nicht wieder zurück.
Der etwa 6 jährige Yusuf stottert und kann selten ohne Probleme sprechen. Das gelingt ihn nur gelegentlich, in den einsamen Wäldern, wenn er mit seinem Vater, den Falken und den Esel unterwegs ist.
Warum ausgerechnet dieser Film den goldenen Bären gewonnen hat ? Da passiert doch nichts, könnte man meinen!
Das besondere dieses Film , ist die Erzählweise, die ohne Worte auskommt. Durch und in den Augen eines Kindes, nutzt Kaplanoglu die Entdeckung der Langsamkeit.
Wenn im Film gesprochen wird, dann wird die Bedeutung der Worte in einer späteren Szene noch mal deutlich. Zum Beispiel als die Mutter die den Vater vermisst, der in den Bergen unterwegs ist und längst zurück sein wollte, ihren Sohn von einem Traum erzählt. Als sich dieser erschreckt von seiner Mutter abwendet, hören wir noch die Sätze des Vaters an seinen Sohn . Er dürfe Träume nicht laut aussprechen und auch niemanden davon erzählen.
Es passiert also nicht viel und doch ist alles von Bedeutung, die Sprachlosigkeit die den Blick für das Wesentliche schärft. Die unausgesprochenen Worte die in der Seele des Kindes, einem späteren Dichter, schwingen. Die Langsamkeit, die hier oft in der Großaufnahme verweilt und dabei mehr erzählt als es tausend Worte vermögen.
Das nicht gesprochene Wort, ist in einer Welt in der das Wort in unseren Ohren steckt oder allzeit aus unseren kleinen rechteckigen Begleitern sprudelt, in der wir an jeder Ecke beschallt werden……macht also einen Teil der Faszination dieses Filmes aus . Wer das mag, für den ist Bal mit seinen vielen eindringlichen Bildern, Honig für die Seele und deshalb hat er diesen Preis auch verdient!
Goldener Bär – Bester Film: Bal von Semih Kaplanoğlu 2010
Ich kann diesen Film so gut verstehen; ohne Worte.
Vor 2 1/2 Jahren kam ich als sprudelnde Kommunikationstussy in die Provence zu einem Imker der ohne Worte viel mehr sagt, als ich mit meinen tausenden von Worten.
Aber wie versteht ein Kommunikationsmensch der mit Worten redet, einen Kommunikationsmenschen der mit Gesten und Blicken redet? Gar nicht. Und es kracht in allen Ecken. Zwei Welten prallen aufeinander.
Obwohl ich als Heilerin auch die Stille liebe, habe ich das hier nicht haben können. Eigentlich hätten wir uns auf das Kommunikationssystem „ohne Worte“ sehr gut begeben können, da ich die französische Sprache gar nicht beherrschte. Wir sprachen beide eine Nicht-Muttersprache,nämlich englisch.
Ich habe den Film nicht gesehen, aber die Erzählungen darüber haben mir gezeigt, wie weit ich entfernt war von der Realität eines Imkers. Nun verstehe ich diese Welt besser.
Danke.
Gruß Kornelia Sinning
Hilfsimkerin in der Provence
„Das flüssige Gold der Provence“; Lavendelhonig
Hallo Kornelia, die Ursache, für diese fast nonverbale Kommunikation könnte auch durch die Abgeschiedenheit der Menschen bedingt sein oder es ist einfach nur ein filmisches Stilmittel. Ob alle Imker so sind, weiß ich nicht, es ist aber angesicht des Berufes bestimmt von Vorteil, wenn man ruhiger ist. Oder liegt es an der Kombination Mann und Imker…..grübel…..ich finde das für den Film gelungen….(könnte man bei manchen Filmen nicht manchmal innerlich schreien, wenn die Dialoge zu blöd und vorhersehbar sind…….(?) Ansonsten brauche ich auch eher die Kommunikation, gelegentliches Schweigen ist ja ganz erholsam, aber auf Dauer…?
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